„Langsam wieder hochfahren“: dieser formelartig vorgetragene Spruch ist derzeit in aller Munde, da man sich in Europa und anderen Teilen der Welt sicher fühlt, die Virusinfektion COVID-19 langsam in den Griff zu bekommen. Und so soll auch auf deutschen wie internationalen Pferderennbahnen, nach Wochen des Stillstands, wieder gelaufen werden.
Freilich ist die Rückkehr zur Normalität nur in kleinen Schritten möglich, schließlich prägen Abstands- und Hygieneregeln den neuen Alltag. Wie also kann ein solcher, neuer Rennbetrieb aussehen?
Zwangspause? Nicht überall auf der Welt!
Der Lockdown, den viele Regierungen vorübergehend veranlasst hatten, trifft nicht zuletzt auch die Sportindustrie. In Deutschland waren die Rennbahnen seit Mitte März zu einer Corona bedingten Zwangspause verurteilt. Ebenfalls auf den Pausenknopf gedrückt wurde bei den Nachbarn, den großen Rennnationen Frankreich und Großbritannien.
Noch Mitte März war in England das Cheltenham Festival mit rund 250.000 Zusehern abgehalten worden.
Etwas später, Ende März beziehungsweise Anfang April, hat man auch in Südafrika, Irland und Singapur die Konsequenzen aus der weltweiten Gesundheitskrise gezogen. Dort war der Rennbetrieb vorerst noch, teilweise unter Ausschluss des Publikums, fortgeführt worden.
Doch es gab auch Länder, die einen anderen Weg gegangen sind. In den USA etwa durften Pferderennen, die, als Milliardengeschäft, den systemrelevanten Wirtschaftszweigen zugerechnet wurden, abgehalten werden. Nicht in allen Bundesstaaten wurde von dieser Sonderstellung Gebrauch gemacht.
Einige große Rennen, wie das Kentucky Derby, wurden beispielsweise verschoben und nur eine Handvoll an Rennbahnen führte den Betrieb – unter Ausschluss des Publikums – überhaupt fort.
Ähnlich verfuhr man in Teilen Australiens, und auch in Japan und Hong Kong wurden Geisterrennen gelaufen. Dort hat man sich mit der vielzitierten „neuen Normalität“ schnell arrangiert und dabei ordentlich profitiert, denn für die Veranstalter waren die Rennen, in Ermangelung von Konkurrenz, ein dickes Geschäft. Stichwort: Pferdewetten.
Wetten in Zeiten von Corona: Trabrennen, e-Sports und „Marble Racing“
Während das internationale Sportgeschehen größtenteils auf Eis lag, regierte in der häuslichen Isolation die Langeweile, weshalb sich Tipper alternativen Wettereignissen zuwandten, die sich unter normalen Umständen unter dem Radar bewegen. Davon haben viele Nischensportarten profitiert.
Bei den Online Wettanbietern erfuhr nicht nur das Angebot an Wetten auf e-Sports, Tischtennis oder die kuriose Sportart „Marble Racing“ ungewöhnlichen Zulauf, sondern auch schwedische Trabrennen, die ansonsten bei Pferdewetten – zumindest international gesehen – kaum eine Rolle spielen. Denn der „schwedischer Weg“, der statt Aushungern des Virus auf Herdenimmunität setzt, sorgte dafür, dass auch in der skandinavischen Nation der Rennbetrieb nie gänzlich eingestellt wurde.
Nun möchte man auch in den Ländern, die alle Sportevents vorübergehend ausgesetzt haben, langsam zu einer „neuen Normalität“ übergehen. In Großbritannien etwa soll der Rennbetrieb mit Juni wieder aufgenommen werden – ohne Publikum, versteht sich. Außerdem hat die British Horseracing Authority (BHA) eine Reihe von Maßnahmen für Veranstaltungen vorgesehen.
Auch in Deutschland hat man, hier in Gestalt des Verbands Deutscher Galopp, fieberhaft an einem Konzept gearbeitet, das die neuen Abstands- und Hygieneregeln der Regierung berücksichtigt. Der Kern desselben, wie allerorts: das Publikum muss vorerst zuhause bleiben.
Geisterrennen – die „neue Normalität“ im Pferderennsport
Die erste deutsche Rennbahn, die nach dem Lockdown und unter den neuen Bedingungen den Rennbetrieb wieder aufgenommen hat, war jene in Hannover. Dort wurde am 7. Mai das erste Rennen gelaufen. Rund zwei Wochen später wurde an der Rennbahn Iffezheim in Baden-Baden das berühmte Frühjahrsmeeting abgehalten. Auch dort hat man sich mit der „neuen Normalität“ arrangiert.
Neben Zuschauern hatten auch Besitzer und Züchter keinen Zutritt zur Anlage, der zugelassene Personenkreis war auf 70 beschränkt und reduziert auf Personal und Personen, ohne die die Veranstaltung der Rennen, das Training und die Betreuung der Tiere nicht möglich wäre. Selbst beim Rennen trugen die Jockeys einen Mund-Nasenschutz und auf eine Siegerehrung wurde zugunsten der Sicherheit verzichtet.
Keine Eintrittsgelder, reduziertes Rennprogramm: Nun hofft man auf Wetteinnahmen
Die neue Normalität – der eingeschränkte Rennbetrieb – bleibt freilich nicht ohne finanzielle Konsequenzen. Nach einer Durststrecke von mehreren Wochen, in denen nicht gelaufen wurde, fehlen nun die Eintrittsgelder, zudem musste das Rennprogramm reduziert werden.
Die Hoffnungen liegen jetzt vor allem auf dem Wettpublikum und den Wettvermittlern – den Online Wettanbietern –, die das Totoangebot der Rennbahnen, aus dessen Einnahmen sich die Renn- und Pferdezuchtvereine teilweise finanzieren, ins Internet bringen.
In diesem Zusammenhang setzt der Verband Deutscher Galopp verstärkt auf Live Streams, die auf der eigenen Homepage und den diversen Social Media Kanälen (YouTube und Facebook) kostenfrei zugänglich sind. In vielen Ländern wird zudem laut über eine Verlängerung der Rennsaison nachgedacht.
Über den Autor
Martin ist seit mehr als 15 Jahren im Geschäft mit Sportwetten und Pferdewetten tätig. Vom einfachen Kassenpersonal im Wettshop bis zum CEO eines großen Wettanbieters hat er dabei alle Stationen in diesem Business erfolgreich durchlaufen. Seit 2011 ist Martin als Berater in der Wettbranche aktiv und widmet sich in erster Linie dem Testen und Vergleichen der verschiedenen Wettanbieter im Internet.